Arbeitsmärkte haben sich weitgehend erholt

Verschiedene Indikatoren zeigen, dass die Arbeitsmärkte sich vom «Covid-Schock» weitgehend erholt haben. Einige Zahlen sind sogar noch besser als vor Ausbruch der Pandemie. Was sich indes zeigt: Der Fachkräftemangel ist akuter denn je.

„Wir stellen ein“ heisst es wieder bei vielen Unternehmen: Die Arbeitsmärkte haben sich weitgehend erholt. (Bild: Pixabay.com)

Im März 2020 führte der erste Corona-Lockdown zu einem drastischen Einbruch des Stellenmarktes. Knapp zwei Jahre später sehen wir eine rasante wirtschaftliche Erholung, wie verschiedene Auswertungen übereinstimmend zeigen. So schreiben gemäss dem Adecco Group Swiss Job Market Index im 4. Quartal 2021 Unternehmen 39% mehr Stellen aus als im Vorjahresquartal. Dabei können sich die meisten Berufsgruppen über eine deutlich gesteigerte Nachfrage freuen. Auch alle Grossregionen der Schweiz profitieren von einer breitflächigen Erholung der Arbeitsmärkte. Allen voran profitieren im Espace Mittelland die Fachkräfte der Technik (+50%) (bspw. Ingenieurtechnische und vergleichbare Fachkräfte) und in der Zentralschweiz die Hochschulberufe von MINT und Gesundheit (+48%) (bspw. Naturwissenschaftler, Mathematiker und Ingenieure) von der wirtschaftlichen Erholung, während in der Nordwestschweiz insbesondere die Fachkräfte von Dienstleistung und Verkauf (+54%) (bspw. Verkaufskräfte) und die Hochschulberufe von Wirtschaft und Sozialem (+45%) (bspw. Sozialwissenschaftler und Kulturberufe) sich über ein kräftiges Stellenwachstum erfreuen.

Veränderung des Arbeitsmarkt-Index der letzten Monate (Quelle: Adecco Group)

Wo der Fachkräftemangel am akutesten ist

Auch der Arbeitsmarkt-Barometer des Outplacement-Dienstleisters von Rundstedt konstatiert eine gute Erholung der Arbeitsmärkte. Nach einer deutlichen Zäsur im Jahr 2020 suchen einige Branchen wieder intensiv nach Personal. Gemäss Adecco Group Swiss Job Market Index verzeichnen die Fachkräfte von Handwerk und Hilfskräfte (+23%), zu denen unter anderem Berufe wie PolymechanikerInnen, PräzisionshandwerkerInnen (bspw. UhrenmacherInnen und MikromechanikerInnen) und Berufe in der Nahrungsmittelverarbeitung (bspw. BäckerInnen und Fleischfachkräfte) gehören, den grössten prozentualen Zuwachs, gefolgt von den Fachkräften von Büro und Verwaltung (+21%) (bspw. Allgemeine Büro- und Sekretariatskräfte) und den Fachkräften von Dienstleistung und Verkauf (+17%) (bspw. Verkaufskräfte und Betreuungsberufe).

Weniger Kündigungen wegen Abbaumassnahmen

Auf der anderen Seite wurden 2021 viel weniger Kündigungen aufgrund von Abbaumassnahmen ausgesprochen, nämlich nur noch 23 Prozent, so von Rundstedt. Aufhorchen lässt aber ein anderer Wert: Mit 25 Prozent sind 2021 relativ viele individuelle Kündigungen aufgrund von Leistungsabweichungen ausgesprochen worden. Doch erfreulich: Gekündigte finden wieder viel schneller eine neue Stelle als noch vor Jahresfrist. Die durchschnittliche Suchdauer ist von 6,9 auf 5,3 Monate gesunken. Besonders verbessert hat sich die Situation bei den Ü50: Dort reduziert sich die Suchdauer von 8,3 auf 6,9 Monate. Dieser Wert liegt sogar noch unter jenem von 2019. Die grundsätzlich erfreuliche Entwicklung darf aber nicht hinwegtäuschen, dass es in allen Altersklassen nach wie vor einen grossen Unterschied zwischen den marktfähigen und den schwierigen Profilen gebe, wie es heisst. Die Suchdauer variiert da von 3.2 Monaten (marktfähige leichte Profile) bis hin zu 9.2 Monaten (schwierige Profile). Das verdeutlicht, dass es für einige Menschen trotz Fachkräftemangel nach wie vor schwierig ist, eine neue Stelle zu finden. Diese Polarisierung zwischen den Gewinnern und Verlierern auf dem Arbeitsmarkt nimmt im Zuge der Digitalen Transformation immer mehr zu. Daran ändert auch der Fachkräftemangel nichts.

Mehr Branchenmobilität

Dank dem Fachkräftemangel seien die Unternehmen aber mehr dazu bereit, branchenfremde Bewerber zu berücksichtigen, so eine weitere Feststellung von Rundstedts. Die Branchenmobilität habe mit 52 Prozent im Jahr 2021 einen Rekordwert erreicht. Das seien gute Nachrichten, denn genau diese Flexibilität brauche ein Arbeitsmarkt in einem grossen Strukturwandel wie der Digitalen Transformation, schreibt von Rundstedt dazu. Diese Zahlen würden beweisen, dass zwischen Fachkräftemangel, Auswahlflexibilität und Mobilitätsmöglichkeiten für Bewerber ein Kausalzusammenhang besteht. Die schwierige Situation in einigen Branchen durch COVID-19 habe hier sicherlich auch dazu beigetragen, weil sich viele Menschen beruflich verändern und neu aufstellen mussten.

Nicht nur Arbeitsmärkte, sondern die Arbeitswelt als ganzes verändern sich

Die Corona-Pandemie hat den Arbeitsmarkt resp. die Arbeitswelt insgesamt verändert. So hat weltweit auch die Akzeptanz und Ausbreitung von Homeoffice in Unternehmen stark zugenommen, wie eine gemeinsame Studie der OECD und Jobseite Indeed festgestellt hat. Demnach ist der Anteil in den meisten Ländern der Staatengemeinschaft (mit Ausnahmen) deutlich in die Höhe geschnellt. Insbesondere dort, wo die Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie besonders streng waren. Doch auch nach deren Lockerungen wurde ein vielfach prognostizierter Rückgang kaum Realität – im Gegenteil. Insgesamt habe sich der durchschnittliche Homeoffice-Anteil in den 20 untersuchten OECD-Staaten seit Beginn der Pandemie mehr als verdreifacht, so die Studie. Führten im Januar 2020 knapp 2,5 Prozent der Stellenanzeigen diese Option auf, waren es im April 2021 bereits 7,9 Prozent. Dieser Anstieg war zum großen Teil auf pandemiebedingte Einschränkungen zurückzuführen, die zu einer hohen Akzeptanz von Homeoffice führten – in den Jobs, die gut von zu Hause aus erledigt werden können. Trotz Lockerungen der Massnahmen blieb der durchschnittliche Anteil der Homeoffice-Anzeigen mit 7,5 Prozent im September 2021 annähernd auf seinem Höchstwert. In der Schweiz betrug er zu diesem Zeitpunkt 7,08 Prozent und liegt aktuell bei 7,2 Prozent.

Quellen: von Rundstedt, Adecco Group, Indeed

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