Fitness mit «Die Höhle der Löwen Schweiz», Folge 3/7
Die Sendung vom 7. Dezember 2021 hatte wiederum vieles zu bieten: Möbel, Trendsportarten, Herrenanzüge, Miet-Verkaufsflächen und mehr. Einige Löwen zeigten ihre Fitness, andere blieben beim Investieren ihrer Linie treu.
Möbel, die nach Belieben zusammengebaut werden können und mit den veränderten Bedürfnissen «mitwachsen», das ist die Idee von «Formich» von Philipp Rast. Je nach Lebensabschnitt lassen sich die Möbel anpassen, das heisst, sie müssen nicht weggeworfen und durch neue ersetzt werden. Auf diese Weise will der Firmengründer den nachhaltigen Konsum auch im Wohnbereich fördern. 100’000 Franken gegen 20 Prozent Firmenanteil wollte Philipp Rast von den Löwen investiert haben. Diese zeigten sich anfangs sehr interessiert und angetan von der Idee und liessen sich auch von der Qualität der gezeigten Möbelstücke überzeugen. Doch als es dann um konkrete Zahlen ging, wich die anfängliche Begeisterung («cooler Brand», Roland Brack) einem ernüchternden Realismus: Mit 2000 Franken für ein Regal bewegt sich «Formich» in einer stolzen Preisklasse, und auch die Umsatzentwicklung gemäss Businessplan fanden die fünf Löwinnen und Löwen etwas zu linear. Lukas Speisers knallhartes Fazit: «Zu wenig skalierbar, zu teuer, berechtigt eine Firmenbewertung von einer halben Million Franken nicht». Es kam zu keinem Deal. Philipp Rast machte aus seiner Enttäuschung keinen Hehl, freute sich aber dennoch auf sein Feierabendbier.
Löwen zeigen, wie es um ihre Fitness steht…
Dann kam etwas Action in die Bude und es wurde sportlich: Das Jungunternehmen «Overground AG» mit Fabian Kägi, Chris Harmat, Dominique Karlin und Maurice Ndotoni ist ein kombiniertes Trainingscenter für Ninja Warrior, Parkour, Calisthenics, Trampolin, Chase Tag, Big Bounce und Tricking – Sportarten also, die wohl für die ältere Generation der TV-Zuschauer gänzlich unbekannt sind. Die vier Sportbegeisterten – darunter Parkour- und Ninja Warrior-Champions – betreiben derzeit eine Trainingshalle, wollen in Zukunft aber mit Events durchstarten. Dafür benötigen sie ein Investment von 150’000 Franken und sind bereit, 10 Prozent Firmenanteile abzutreten. Die Pläne, die die vier präsentierten, hörten sich ambitiös an: 30’000 Franken Umsatz wollen sie pro Event generieren. Roland Brack zeigte sich bereits als Kenner von Parkour. Patrick Mollet zeigte seine Fitness gleich selbst an den Geräten. Nur: Fragezeichen setzten die fünf Investorinnen und Investoren hinter dem Setup der Firma: Ist sie nun Betreiberin eines Fitness-Centers oder Event-Veranstalterin? Für Roland Brack befindet sich die Overground AG noch in einer «nicht investierbaren» Phase. Tobias Reichmuth befand den Businessplan für zu wenig klar, er stieg ebenfalls aus. Für Bettina Hein passte es nicht in ihr Portfolio, Jürg Schwarzenbach und Patrick Mollet wollten ebenfalls nicht investieren. Fazit für den TV-Zuschauer: Die vier Jungunternehmer müssen wohl noch an ihrer geschäftlichen Fitness arbeiten…
Wenn ein Online-Händler plötzlich in Läden investiert…
Vom Sport wieder in den Retail-Bereich führte die Präsentation von «S’Fachl» mit Christian Hammer, Markus Bauer und Coco Künzle. Die österreichische Firma vermietet an Kleinunternehmen Verkaufsflächen in Form von Obstkisten. Die Kunden von «S’Fachl» können diese Kisten nach Belieben mit ihren Produkten befüllen und online live die Verkaufsentwicklung mitverfolgen. In der Schweiz sind sie derzeit mit einem Laden in St.Gallen präsent, der von Coco Künzle als «Fachlmeisterin» geführt wird. 300’000 Franken gegen 10 Prozent Firmenbeteiligung war nun die Investment-Vorstellung der Unternehmer aus Wien. Löwe Tobias Reichmuth zeigte sich vom Konzept – eine Art «analoges Amazon» – zwar angetan, wollte aber nicht investieren. Bettina Hein machte es ebenfalls kurz: «Im Retail-Bereich habe ich zu wenig Expertise» und stieg ebenfalls aus. Lukas Speiser erinnerte sich an gescheiterte Versuche, für Amorana ein Flächengeschäft aufzuziehen, und blieb seiner Linie treu: Konzentration auf den Online-Handel. Roland Brack hingegen machte ein Angebot: 300’000 Franken gegen 15 Prozent Beteiligung. Nach kurzer Überlegung griff Christian Hammer zu. Es kam also zum Deal mit dem Online-Händler, was Tobias Reichmuth wie folgt kommentierte: «Wie Jeff Bezos: Online angefangen, und jetzt hat er überall Läden».
Drei Angebote für eine einzige Geschäftsidee
Eine Situation, die wohl schon mancher Mann erlebt hat: Eine Einladung zur Hochzeit eines guten Freundes mit dem Dresscode «festlich». Woher also in der Kürze der Zeit einen passenden Anzug nehmen? Lorenz Pöhlmann und Ibrahim Can von «Adretto» machten genau diese Erfahrung. Nach langem Tingeln von Herrenausstatter zu Herrenausstatter überlegten sie sich: Gäbe es da nicht Alternativen? Ihr Lösungsweg: Anzüge mieten statt kaufen. Sie entwickelten eine Software, die aufgrund der Eingabe der Kunden die passenden Masse berechnet und den Mietprozess abwickelt. Für rund 200 Franken lässt sich so nicht nur ein Anzug mieten, sondern auch passende Hemden und Accessoires. Dank geschicktem Marketing via Google Ads haben sich die beiden Herren eine ansehnliche Nachfrage generieren können – und: sie scheinen derzeit die Einzigen in der Schweiz zu sein, die einen Anzugs-Mietservice bieten. Nun benötigen sie aber Kapital, um zu wachsen: 100’000 Franken gegen 10 Prozent Beteiligung, so lautete ihre Vorstellung. Gleich drei Löwen wollten zuschlagen: Roland Brack bot 100’000 Franken, wollte aber 15 Prozent Beteiligung, Jürg Schwarzenbach bot 100’000 Franken zu 10 Prozent und Anja Graf ebenfalls. Jürg Schwarzenbach erhielt schliesslich den Zuschlag, wohl deshalb, weil er als Verwaltungsrat von Carvolution bereits über Expertise in Vermietungs-Modellen verfügt. Bei der Begeisterung, die «Adretto» gleich bei drei Löwen wecken konnte, wäre vielleicht sogar noch mehr drin gelegen. Denn Roland Brack konstatierte zum Schluss: «Schade, dass sie nicht mehr verhandelt haben».
(Update: Nach der Sendung konnte «Adretto» auch Roland Brack als Investor gewinnen. Das bedeutet natürlich noch mehr Expertise und vor allem: Online-Verbreitung…)
Und einmal mehr: Hohe Firmenbewertung als «pièce de résistance»
Marco Niggli aus Sursee ist der Prototyp eines smarten Jungunternehmers: 25 Jahre jung und voll überzeugt von seinem Produkt. Und dieses nennt sich «Klixx», ein rahmenloser Halter für Autokennzeichen. Schlichtes Design, Herstellung aus Recycling-Kunststoff, einfache Montage, erhältlich in verschiedenen DIY-Märkten waren gute Argumente, um Interesse bei Investoren zu wecken. Der Kapitalbedarf: 50’000 Franken gegen 2,5 Prozent Firmenbeteiligung. Doch die Löwinnen und Löwen trauten der von Marco Niggli ins Feld geführten Firmenbewertung nicht. Bettina Hein und auch Lukas Speiser monierten, dass diese zu sehr auf Zukunfts-Berechnungen (bis 2024 sollen in der Schweiz 150’000 «Klixx»-Sets verkauft werden, die Verkaufspreise bewegen sich zwischen CHF 34.95 und CHF 39.95) basiere. Jürg Schwarzenbach und Bettina Hein verabschiedeten sich aus dem «Bietergefecht», während Lukas Speiser bei der Bewertung nochmals nachhakte: Mit einer Viertelmillion Umsatz 2021 und noch ohne Gewinn sei eine Bewertung von 2 Millionen nicht gerechtfertigt. Marco Niggli verwies aber auf die gemachten Investitionen in Patente und Entwicklungen. Sein Produkt sei geschützt und Wettbewerber könnten nicht einfach auf seinen Zug aufspringen. Anja Graf würdigte dies zwar positiv, glaubte aber nicht an die Nachhaltigkeit der prognostizierten Umsatzzahlen und stieg aus. Roland Brack wünschte sich vom Jungunternehmer ein anderes Angebot mit einem relevanteren Firmenanteil. Marco Niggli verstand und bot nun 10 Prozent Firmenanteile für ein Investment von 50’000 Franken. Roland Brack und Lukas Speiser tauschten Blicke aus, besprachen sich kurz zu zweit. Ihr neues Angebot lautete: Gemeinsam 100’000 Franken gegen 20 Prozent Firmenanteile. Marco Niggli schlug ein. Es schien, dass man auch smarte Jungunternehmer zuweilen etwas zu ihrem Glück zwingen muss…
High-Tech für Museumsbesuche
200’000 Franken für 15 Prozent Firmenbeteiligung, so präsentierte sich der Kapitalbedarf für «Dojo», einem Audiogerät für Ausstellungen, das mittels Knochenschall-Technologie arbeitet. Das heisst, man hält das Gerät nicht ans Ohr, sondern an die Schläfe und erhält so ein zusätzliches Schall-Erlebnis – im Prinzip wohl eine Art akustische «Augmented Reality». In Ausstellungen erkenne «Dojo», wenn man sich vor einem Ausstellungsgegenstand befindet, die dazu verfügbaren Informationen. Diese werden durch eine Erzählstimme vermittelt, wie Jana Kalbermatter und Louis Moser, die beiden Jungunternehmer, erläuterten. Museen und Aussteller können das Gerät auf ihre Bedürfnisse programmieren. Und daran zeigte sich die Problematik des Produkts: Es zielt auf eine Nische ab mit wenig Skalierungspotenzial, denn die Anzahl Museen, die sich ein solches System leisten können – die Anschaffungskosten bewegen sich in einem fünfstelligen Bereich – ist überschaubar. Anja Graf, Bettina Hein, Lukas Speiser und Jürg Schwarzenbach stiegen alle aus, zollten der technologischen Entwicklung aber grossen Respekt. Roland Brack, der als einziger das Gerät ausprobiert hat, machte dann ein Angebot: 200’000 Franken gegen 20 Prozent Firmenbeteiligung. Und Jana Kalbermatter und Louis Moser griffen da gerne zu.
Unternehmerische Fitness gezeigt
Mit dieser Sendung endete die dritte Staffel von «Die Höhle der Löwen Schweiz». Die neuen Investoren brachten frischen Wind und neue Expertise in die Sendung. An Geschäftsideen und interessanten Business Cases fehlte es nicht, und die meisten Startups und Jungunternehmerinnen und -unternehmer haben die Publicity via TV-Kameras auch verdient. Es wurde eine ansehnliche unternehmerische Fitness gezeigt; die Staffel brachte als Höhepunkte zwei Millionen-Deals sowie ein Lehrbeispiel (Sendung vom 26. Oktober 2021), wie man mit Überheblichkeit sich den Goodwill von Investoren verspielen kann. Man darf gespannt sein auf die vierte Staffel, für welche bereits neue Startups und interessante Produkt-Innovationen gesucht werden, die sich dem Urteil der Investoren stellen wollen.
Interviews mit zwei Investoren bei „Die Höhle der Löwen Schweiz“ finden Sie hier, einen Rückblick zur Sendung vom 30. November 2021 gibt es hier.
Informationen zu allen Sendungen: https://www.3plus.tv/die-hoehle-der-loewen-schweiz