Sterile Tigermücken freigesetzt
In Süddeutschland wurden sterile Tigermücken freigelassen, deren Erbgut radioaktiv bestrahlt wurde. Diese Tigermücken sind unfruchtbar und sollen helfen, Infektionskrankheiten auszurotten.
Per se sind es sterile Tigermücken. Ende Juli 2017 wurden laut „Technology Review“ mehrere Käfige mit jeweils tausend bestrahlten Männchen in der Nähe von Heidelberg geöffnet. Sollten sich mit frei lebenden Tigermücken paaren, stirbt der Nachwuchs.
„Die Tigermücke überträgt viele gefährliche Krankheiten wie das Denguefieber“, sagt Kampagnenleiter Becker. „Deshalb wollen wir sie loswerden.“ Tigermücken gelten als sehr aggressiv, die schwarz-weiss oder rot-weiss gestreiften Moskitos stechen auch tagsüber.
Da sie gegen 20 bisher bekannte tropische Viren übertragen können, bemühen sich die Deutschen Behörden, ihre dauerhafte Ansiedlung in Deutschland zu verhindern.
Ansteckung gering
Seit gut 10 Jahren registriert man Tigermücken in Süddeutschland. Die Tigermücken sind nämlich hierzulande nicht heimisch und kommen nur sporadisch vor. Güterzüge und Lkws schleppen sie aus Südeuropa vor allem entlang der Autobahn A5 ein. Nachgewiesen hat sie Beckers Team bisher in Freiburg, Heidelberg und Sinzheim.
Um für den Menschen gefährlich zu werden, muss der Moskito allerdings erst selbst zum Virenträger werden – etwa indem er einen infizierten heimkehrenden Tropenreisenden sticht. In Montpellier und in Italien hat es bereits je einen von Tigermücken verursachten Krankheitsausbruch gegeben.
Die sterile Insektentechnik auf Basis von radioaktiver Strahlung gibt es schon seit fünfzig Jahren. Mit derart sterilen Tsetsefliegen entledigte sich die Insel Sansibar der gefährlichen Schlafkrankheit. Aber die radioaktive Strahlung schädigt das Erbgut der Insekten wahllos und massiv. Deshalb sind sie weniger fit als ihre wild lebenden Artgenossen.
Bei der Malariamücke versagte die Methode deshalb. Die Weibchen paarten sich einfach zu ungern mit den unfitten Männchen aus dem Labor. Die mangelnde Fitness der radioaktiv bestrahlten Männchen muss jetzt Beckers Team in Süddeutschland mit schierer Masse wettmachen. Auf ein wild lebendes Tigermückenmännchen bringt er zehn sterile Männchen aus, dreitausend pro Hektar.
Nur weil es lediglich einige Hundert der Plagegeister in Heidelberg gibt, könnte der Plan von der lokalen Ausrottung aufgehen.
Bestrahlte Mücken
Jede Woche setzt sein Team dafür zurzeit 15’000 bis 20’000 manipulierte Männchen aus. Mückenspezialist Romeo Bellini vom Centro Agricoltura Ambiente Giorgio Nicoli in Bologna hat ihr Erbgut mit radioaktiver Gammastrahlung so massiv geschädigt, dass die Männchen keinen lebensfähigen Nachwuchs bekommen.
Noch ist die Wirkung des Eingriffs allerdings ungewiss. Im vergangenen Sommer seien nach der Freilassung der sterilen Männchen 15 Prozent weniger Tigermücken geschlüpft, zählte eine Studentin. Für eine Ausrottung ist das nicht genug. Da die Männchen kleiner sind als die Weibchen, lassen sich beide Geschlechter voneinander trennen, indem die verpuppte Brut einfach ausgesiebt wird.
Die Ergebnisse aus diesem Jahr über die Konsequenzen der freigelassenen sterilen Tigermücken liegen noch nicht vor.
Die Wolbachia-Methode
Verily geht einen anderen Weg. Die Alphabet-Tochter verwendet zum Sterilisieren das Bakterium Wolbachia, das in 60 Prozent aller Insektenarten, aber nicht in Aedes aegypti natürlich vorkommt. Im Labor infizierte Männchen seien „in ihrer Fitness nicht eingeschränkt wie nach radioaktiver Bestrahlung“, erklärt der Forscher Jacob Crawford von Verily. Das Unternehmen hat bereits mit der Freilassung von 20 Millionen sterilen Mücken der Spezies Aedes aegypti in Kalifornien begonnen, die Gelb- und Denguefieber, aber auch das Zika- Virus verbreiten. Noch stehen die Ergebnisse der Kampagne aus.
Beide Ansätze haben gemeinsam, dass sie ohne Gentechnik auskommen – ganz im Gegensatz zu mehreren Projekten in Brasilien. (Quelle: Technology Review)