Demand-Side-Management im künftigen Stromsystem Schweiz
Der Bundesrat hat kürzlich den Bericht «Stromverbrauch. Wie hoch ist der jährliche Stromverbrauch für von Elektrizitätswerken gesteuerte Verbraucher wie Elektroboiler, Speicherheizungen, Wärmepumpen, Pumpspeicher usw. in der Schweiz?» verabschiedet. Er zeigt, dass in der Schweiz die verbrauchsseitige Flexibilität, das sogenannte Demand-Side-Management (DSM), noch wenig genutzt wird. Wenn die Bandenergie der Schweizer Kernkraftwerke künftig wegfällt, spielt DSM aber eine zunehmend wichtige Rolle.
Der Bericht wurde in Erfüllung des Postulats von Nationalrat Jürg Grossen aus dem Jahr 2016 erstellt (16.3890 «Stromverbrauch. Wie hoch ist der jährliche Stromverbrauch für von Elektrizitätswerken gesteuerte Verbraucher wie Elektroboiler, Speicherheizungen, Wärmepumpen, Pumpspeicher usw. in der Schweiz?»). Das Postulat verlangt Zahlen zum heutigen ungesteuerten Strombedarf in typischen Zeitperioden. Weiter möchte er Aufschluss über Chancen, Risiken und allfällige Massnahmen, wenn es nach Abschalten der Kernkraftwerke weniger Bandstrom im Schweizer Stromnetz gibt.
Demand-Side-Management
Demand-Side-Management umfasst Massnahmen zur Optimierung eines energiewirtschaftlichen Systems, die durch Dritte direkt oder indirekt herbeigeführt werden. Ein Beispiel dafür sind die Rundsteuerungsanlagen, die Energieversorgungsunternehmen heute zur Steuerung von elektrischen Speicherheizungen, Elektroboiler oder Wärmepumpen verwenden. So können sie die Spitzenlast reduzieren und die Lastverteilung ausgleichen.
Wie gross ist das Potenzial für Lastverschiebungen?
Wie gross sind die heute nutzbaren und tatsächlich genutzten DSM-Potenziale in der Schweiz? Das Bundesamt für Energie (BFE) hat dazu eine Studie in Auftrag gegeben (siehe Link). Die Datenanalyse wurde mit Umfragen bei Energieversorgungsunternehmen ergänzt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Höhe der heute verschobenen Lasten nicht genau bestimmt werden kann, weil die Datengrundlage dafür nicht ausreicht.
Mit Analysen von Statistiken und Berichten wurde in der Studie versucht, das DSM-Potenzial abzuschätzen. Dieses liegt bei rund 530 bis 870 Megawatt (MW) für das Abschalten und rund 590 MW bis 960 MW für das Zuschalten von Verbrauchsanwendungen. Bei den Haushaltskunden ergibt sich vor allem tagsüber im Winter ein Potenzial bezüglich Raumwärmebereitstellung. Im Industrie- und Dienstleistungsbereich ist das Potenzial ebenfalls vor allem tagsüber vorhanden, verteilt sich aber ausgeglichener über die Jahreszeiten.
Demand-Side-Management wird noch wenig genutzt
Die Nachfrage nach DSM ist heute in der Schweiz noch gering. Ein Grund dafür ist, dass die Stromproduktionskapazitäten eine genügend hohe Flexibilität aufweisen. Dadurch fehlen wirtschaftliche Anreize, Stromverbrauchsanwendungen für DSM zur Verfügung zu stellen. Es gibt aber auch andere Hemmnisse. Dazu gehören mangelndes Wissen über die Vorteile von DSM. Zudem können Netznutzungstarife heute nur sehr begrenzt flexibilisiert werden, und es fehlen Vermarktungsmöglichkeiten im erst teilgeöffneten Strommarkt. Schliesslich erschweren auch fehlende Kommunikationsstandards und Normierungen der technischen Infrastruktur den Abruf von DSM.
Hürden sollen abgebaut werden
Dem mangelnden Wissen der Akteure kann durch Bereitstellung von Informationen und die Verbreitung von Forschungsergebnissen begegnet werden. Auch die Möglichkeit von flexibleren Netznutzungstarifen kann zur Verbreitung von DSM beitragen. Das Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien sieht solche Lockerungen vor. Mit der vollständigen Marktöffnung entstehen zudem Vermarktungsmöglichkeiten für die Flexibilität. Auch die geplante Einrichtung einer Dateninfrastruktur mit einem Datahub schafft vorteilhaftere Voraussetzungen für DSM, indem Verfügbarkeit, Austausch und Zugang zu Daten verbessert werden. Dies ist auch mit Blick auf die Zukunft wichtig, wenn weitere potenzielle Flexibilitätsanbieter, beispielsweise die Elektromobilität, hinzukommen. Die Erschliessung der potenziellen Anbieter wird dann auch durch die weitere Verbreitung von intelligenten Zählern, Regel- und Steuersystemen unterstützt.
Weitere Lösungen
Neben DSM gibt es weitere Möglichkeiten, um die neuen erneuerbaren Energien besser zu integrieren und das Energiesystem an den Wegfall der Bandenergie der Kernkraftwerke anzupassen.
- Durch die Sektorkopplung werden die Sektoren Strom, Wärme und Mobilität miteinander gekoppelt und können zugunsten des Gesamtenergiesystems intelligent gesteuert werden. Dazu laufen im BFE bereits Arbeiten zu Wasserstoff, Wärme und Mobilität.
- Die Photovoltaik hat in der Schweiz ein grosses Potenzial, das jedoch unregelmässig anfällt. Indem möglichst viel Strom direkt am Ort der Produktion verbraucht wird (hoher Eigenverbrauch), können Lastspitzen im Netz vermieden werden. Der Eigenverbrauch kann durch die Kombination von intelligenten Energiemanagern, steuerbaren Verbrauchern und dezentralen Heimspeichern maximiert werden.
- In Zukunft können auch Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen (WKK) helfen, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Auch hierzu laufen beim BFE vertiefende Arbeiten.
- In der Schweiz bestehen Energieeffizienzpotenziale, die noch zu wenig ausgeschöpft werden. Die bereits bestehenden Effizienz-Instrumente im Energiegesetz sollen mit zusätzlichen Massnahmen im Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien sowie im totalrevidierten CO2-Gesetz verstärkt werden.
Pressemeldung BFE
Hier geht’s zur Studie «Potential Demand Side Management in der Schweiz»
und zum Bericht «Stromverbrauch»