ISO 45001: Auch an die Praxis denken!

Das Upgrade auf die neue Norm ISO 45001 (Arbeitssicherheit) steht bevor. Dadurch sollen viele ISO-Neuerungen wie High-Level-Structure, Stakeholder-Analyse und anderes Nützliches für den Themenbereich «Arbeitssicherheit» realisiert werden. Ohne gewissenhafte Praxisumsetzung bleibt jedoch diese Norm nur ein Papiertiger.

<li class="artikel_legende">Figur 1: Struktur der Normenforderungen von ISO 45001.Quelle: SQS, 2017</li>

  • Figur 1: Struktur der Normenforderungen von ISO 45001.Quelle: SQS, 2017

Gespannt warten die Unternehmen auf das immer wieder verschobene Erscheinen der ISO 45001. Diese neue Norm soll es möglich machen, Arbeitssicherheits-Managementsysteme, welche bisher nach OHSAS 18001 zertifiziert waren, oder einer EKAS-Branchenlösung folgten, neu zu beschreiben und mit anderen Managementsystemen (ISO 9001, ISO 14001) zu harmonisieren. Die Detailstruktur der Normenforderungen ist bekannt und in Figur 1 rechts abgebildet.

Was bedeuten aber nun Normenforderungen wie «6.1.2 Identifizierung von Gefährdungen und Bewertung von Risiken» oder «8.1.2 Gefährdungen beseitigen; A&GS Risiken verringern» oder «7.4.2 Interne Kommunikation»? Die Antwort auf diese Frage lautet – je nach Situation – «Produkteblatt», «Sicherheitsdatenblatt», «Betriebs- bzw. Arbeitsanweisung». Diese eher unbeachteten, aber für die Umsetzung des Managementsystems bedeutenden Dokumente orientieren die Beschäftigten über das richtige Vorgehen bei gefährlichen Arbeiten oder im Umgang mit gefährlichen Gütern.

Was sind gefährliche Arbeiten?

Gefährliche Arbeiten sind jene, die in der EKAS-Richtlinie 6508 unter Anhang I «besondere Gefährdungen» angegeben sind. Darunter finden wir eine ganze Reihe wie z. B. Baustellenarbeiten, Baureinigung, Montagearbeiten, «Arbeiten mit gesundheitsgefährdenden Stoffen» usw.

Es stellt sich bei solchen Arbeiten die Frage, wie die Informationspflicht als Arbeitgeber, zum Beispiel an einer Maschine wie einer Stanze oder beim Umfüllen von Säuren, umzusetzen ist? Reicht es aus, den Mitarbeitenden einfach die Betriebsanleitung oder das Sicherheitsdatenblatt zur Verfügung zu stellen?

Was sagt das Gesetz dazu?

Erfüllt man die Normenforderung «6.1.3 Bestimmung der gesetzlichen Vorschriften» und geht der Informationspflicht weiter nach, kommt man zur EKAS-Richtlinie 6512 «Arbeitsmittel» in Berührung. Diese Richtlinie regelt, wie Schutzziele für Mitarbeitende erreicht werden und wann eine Instruktion oder Ausbildung erforderlich ist. Diese stützen sich dabei auf die Verordnung über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten (VUV) und der Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz. Dort wird gefordert, dass der Arbeitgeber dafür sorgt, dass alle in seinem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer, einschliesslich der dort tätigen Arbeitnehmer anderer Betriebe, über die bei ihren Tätigkeiten auftretenden Gefahren informiert und über die Massnahmen zu deren Verhütung angeleitet werden.

Bei der Umsetzung dieser Forderungen fängt dort die Unsicherheit und Interpretation an – was heisst nun «ausreichend» und was ist «angemessen»? Hier gibt der Gesetzgeber freien Handlungsspielraum und Eigenverantwortung, um nach dem Stand der Technik, den Verhältnissen angemessen und nach der Erfahrung notwendig zu handeln. Also heisst es, sich schlau machen und umhören, wie die Vorgaben aktuell umgesetzt werden und sich letztlich mit folgenden Fragen auseinanderzusetzen:

  1. Werden die Mitarbeitenden geeignet instruiert?
  2. Können die Mitarbeitenden gefährliche Arbeiten mit ihrem Wissensstand sicher ausführen?
  3. Verstehen die Mitarbeitenden die Betriebsanleitung oder das Sicherheitsdatenblatt?

Reicht die Betriebsanweisung oder das Sicherheitsdatenblatt aus?

Ob Giessereien, Baufirmen oder Spitäler, vermehrt sieht man in den Betrieben ein Informationsblatt in Form einer A4-Seite, auch Betriebsanweisung genannt, die Hinweise auf das Verhalten im Gefahrenbereich gibt.

Eine Betriebsanweisung für das Betreiben einer Maschine leuchtet ein; doch wie ist es mit einem Gefahrstoff? Unser deutscher Nachbar definiert diese Art von Anweisung ganz klar in der TRGS 555 «Technische Regeln für Gefahrstoffe». Wobei im Gespräch über diese Anweisungen bei Chemikalien eher das Wort Gefahrstoffanweisung oder das sogenannte komprimierte Sicherheitsdatenblatt fällt.

Diese Anweisung zu erstellen, bedingt allerdings sicherheitsspezifisches Fachwissen. Für inhaltliche Gestaltung und Aufbau stellt die deutsche Vorschrift «Technische Regeln für Gefahrstoffe» (TRGS 555) eine gute Orientierung dar.

Sie gliedert die Anweisung in sechs Bereiche:

  1. Anwendungsbereich;
  2. Gefahren für Mensch und Umwelt;
  3. Schutzmassnahmen und Verhaltensregeln;
  4. Verhalten im Gefahrfall und bei Störungen;
  5. Erste Hilfe;
  6. Sachgerechte Entsorgung (Abfälle).

Die Inhalte für diese sechs Punkte können aus der Betriebsanleitung nach Maschinenrichtlinie oder dem EG-Sicherheitsdatenblatt für Gefahrstoffe entnommen werden.

Wichtig dabei ist, diese mit betriebs- und arbeitsplatzbezogenen Informationen zu ergänzen. Und hier liegt der wesentliche Knackpunkt, wenn keine Erfahrung oder Unsicherheiten vorhanden sind. Doch dem kann mit einer geeigneten Gefahrenermittlung begegnet werden. Erstellt man eine Gefahrstoffanweisung, so sollte darauf geachtet werden, mit Symbolen und Grafiken zu arbeiten, um ein schnelleres Erfassen zu ermöglichen, um auch fremdsprachige Mitarbeitende gut zu informieren. Ein Beispiel für eine Betriebsanweisung ist in Figur 3 abgebildet.

Vorgehen bei Gefahrstoffen

Bei einer Chemikalie sind die geeigneten Sätze aus dem Sicherheitsdatenblatt herauszusuchen. Ein geeigneter Vorschlag ist in Figur 2 dargestellt. Wichtig beim Einfügen der Sätze ist, dass diese eindeutig, kurz und prägnant sind und im Sprachgebrauch der Mitarbeitenden. Auch können Sätze weggelassen werden, die nicht zutreffen, wie zum Beispiel: «P102 Darf nicht in die Hände von Kindern gelangen.», da sich in einem Betrieb in der Regel keine Kinder aufhalten.

Vorgehen bei Maschinen

Bei Anweisungen für Maschinen ist wichtig, dass derjenige, welcher die Anleitung erstellt, mit den Mitarbeitenden den Arbeitsablauf durchspricht und in der Anweisung die wichtigsten Arbeitsschritte und die potenzielle Gefahr dazu beschreibt. Anschliessend werden dann die notwendigen Schutzmassnahmen und Verhaltensregeln definiert.

Wird die Anweisung gemeinsam mit den betroffenen Personen erstellt, steigt mehrheitlich die Akzeptanz und werden oft versteckte Schwachstellen ermittelt; dazu bringt man den Mitarbeitenden gefährliche Gewohnheitstätigkeiten ins Bewusstsein und kann neue Personen im Betrieb schnell einweisen. Bei Erstellung solch einer Anweisung ist das richtige Mass wichtig und es kann ausreichen, nur punktuell die wichtigsten Hinweise aufzuführen.

Sind die Anleitungen erstellt, wird oft die Frage gestellt «Muss ich die Dokumente vor Ort ausgedruckt aufhängen, oder reicht es, diese digital abzuspeichern?» Der Gesetzgeber verlangt, dass dem Personal die Dokumente jederzeit zugänglich sein müssen. Sofern dies durch ein technisches Gerät, wie ein Computer, umgesetzt wird, besteht also kein Problem. Jedoch sollte abgeklärt sein, ob die Dokumente auch bei Stromausfall zur Verfügung stehen müssten, was für eine Druckversion spricht.

Fazit

Die sicherheitstechnischen Inhalte von Anweisungen bei gefährlichen Arbeiten werden bestimmt durch die Anforderungen aus den Regelwerken und vom Hersteller mitgelieferten wichtigen Hinweisen. Die Anweisung muss alle Angaben enthalten, die für einen sicheren Betrieb von Maschinen, Anlagen, Einrichtungen oder für den sicheren Umgang mit gefährlichen Stoffen nötig sind. Auf diese Weise wird den Forderungen des A&GS-Managements, die doch oft etwas theoretisch daherkommen, Leben eingehaucht.

 

 

Anweisung – Anleitung: Was ist eine Betriebsanweisung?

Nach TRGS 555 Art. 3.1: Die Betriebsanweisung ist im Gegensatz zu einer Betriebsanleitung ein Dokument, welches ausschliesslich auf Gefahren hinweisen und Schutzmassnahmen aufzeigen soll. Betriebsanweisungen sind arbeitsplatz- und tätigkeitsbezogene, verbindliche schriftliche Anordnungen und Verhaltensregeln des Arbeitgebers an Beschäftigte zum Schutz vor Unfall- und Gesundheits- sowie Brand- und Explosionsgefahren und zum Schutz der Umwelt bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen.

www.neosys.ch

 

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